KI-Projektbewertung: Matrix für smarte Automatisierung
Systematische Matrix zur Bewertung und Auswahl von KI-Automatisierungsprojekten - vom Ideen-Check bis zur Pilotierung.
Automatisierungsprojekte scheitern oft nicht an der Technik, sondern an fehlender Struktur bei der Projektauswahl. Viele Teams starten enthusiastisch mit KI-Lösungen, ohne vorher die Grundlagen zu prüfen: Lohnt sich der Aufwand? Sind die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt? Welche Ressourcen sind realistisch verfügbar?
Eine systematische KI-Projektbewertung schafft hier Klarheit. Sie filtert vielversprechende Ideen von unrealistischen Vorhaben und sorgt dafür, dass nur durchdachte Projekte in die Umsetzungsphase gelangen.
Dieser Beitrag stellt eine praxiserprobte Bewertungsmatrix vor, die Unternehmen durch drei strukturierte Phasen führt: vom schnellen Ideen-Check über die strategische Bewertung bis hin zur konkreten Test-Planung.

Das Konzept im Überblick
Die KI-Projektbewertung funktioniert als mehrstufiger Filterungsprozess. Jede Phase eliminiert ungeeignete Projekte frühzeitig und verhindert damit kostspieligen Aufwand für aussichtslose Vorhaben.
Das System gliedert sich in drei Hauptphasen: Phase 0 prüft binnen fünf Minuten grundlegende Machbarkeit. Phase 1 bewertet Business-Potenzial, technische Anforderungen und Compliance systematisch mit Punktesystem. Phase 2 definiert konkrete Testkriterien für einen sechswöchigen Piloten.
Ziel ist eine datenbasierte Entscheidungsgrundlage, die sowohl technische Machbarkeit als auch wirtschaftlichen Nutzen berücksichtigt. Das Ergebnis: Nur Projekte mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit werden tatsächlich gestartet.
Aufbau und Phasen
Phase 0: Der Ideen-TÜV
Der fünfminütige Schnellcheck filtert offensichtlich ungeeignete Ideen heraus. Drei zentrale Fragen entscheiden über das weitere Vorgehen:
Die Insel-Frage prüft, ob manuelle Datentransfers zwischen isolierten Systemen nötig sind. Falls ja, sollte zunächst die grundlegende Prozessautomatisierung geklärt werden, bevor KI-Komponenten ergänzt werden.
Die Daten-Frage identifiziert personenbezogene Daten frühzeitig. Projekte mit Namen, Adressen oder Bonitätsinformationen erfordern erweiterte Compliance-Prüfungen in Phase 1.
Die Volumen-Frage stellt sicher, dass ausreichend Anwendungsfälle vorhanden sind. Probleme, die nur gelegentlich auftreten, rechtfertigen selten den Projektaufwand.
Phase 1: Die strategische Matrix
Phase 1 gliedert sich in drei Bewertungsstufen, die verschiedene Stakeholder einbeziehen.
Stufe 1 fokussiert auf Business-Relevanz. Ein gewichtetes Punktesystem bewertet Kostenhebel, Standardisierungsgrad, Volumen, Datenformat und Leidensdruck des Teams. Die Gewichtung reflektiert die praktische Wichtigkeit: Kosteneinsparungen zählen doppelt so stark wie der reine Leidensdruck.
Stufe 2 kombiniert Compliance-Prüfung und technische Machbarkeit. Ein Light-Check für AI Act und DSGVO identifiziert rechtliche Hürden. Parallel wird der optimale technische Ansatz gewählt: fertige SaaS-Lösung, Corporate-KI-Chatbot oder Custom-Automation.
Stufe 3 validiert verfügbare Ressourcen. Ein dedizierter Champion mit mindestens 20 Prozent Zeitbudget ist Pflichtvoraussetzung. Die ROI-Berechnung muss eine Amortisation unter zwölf Monaten nachweisen.

Phase 2: Der Test-Plan
Die finale Phase definiert konkrete Erfolgskriterien für einen sechswöchigen Piloten. Drei harte Abbruchkriterien verhindern endlose Optimierungsversuche:
Qualität über 80 Prozent korrekte Ergebnisse, Zeiteffizienz ohne längere Korrekturzeiten als manuelles Arbeiten, und Exception-Rate unter 15 Prozent vollständig manueller Fälle.
Diese messbaren Kriterien ermöglichen objektive Go/No-Go-Entscheidungen nach der Testphase.
Praktische Anwendungsfälle
Content-Automatisierung für Marketing-Teams: Ein Unternehmen plant KI-gestützte Social-Media-Posts. Phase 0 zeigt: Daten kommen aus CRM-System (Schnittstelle vorhanden), keine Personendaten in Posts, Volumen 50 Posts pro Woche. Phase 1 bewertet Kostenhebel mit 8 Punkten (1.500 Euro monatliche Ersparnis), Standardisierung mit 6 Punkten (grobe Content-Richtlinien vorhanden). Gesamtscore 52 Punkte - Projekt wird pilotiert.
Rechnungsprüfung im Einkauf: Automatische Prüfung eingehender Lieferantenrechnungen gegen Bestelldaten. Phase 0 deckt auf: Manuelle PDF-Uploads nötig (Insel-Problem), aber keine Personendaten, hohes Volumen. Projekt stoppt bei der Insel-Frage, denn zunächst muss ein digitaler Rechnungseingang etabliert werden.
HR-Bewerbungsvorauswahl: KI soll Lebensläufe vorbewerten. Phase 0 identifiziert sofort: Personendaten und potenzielle AI-Act-Relevanz bei Personalauswahl. Stufe 2 fordert externe Compliance-Prüfung. Projekt wird an Rechtsabteilung eskaliert, bevor technische Umsetzung startet.
Vorteile und Überlegungen
Vorteile dieses Ansatzes:
- Systematische Filterung verhindert Ressourcenverschwendung für unrealistische Projekte
- Klare Rollen und Verantwortlichkeiten beschleunigen Entscheidungsprozesse
- Compliance-Integration minimiert rechtliche Risiken von Anfang an
- ROI-Fokus stellt wirtschaftliche Sinnhaftigkeit sicher
Was zu beachten ist:
Das System erfordert Disziplin bei der Anwendung, da emotionale Lieblingsprojekte objektiv bewertet werden müssen. Die Punktebewertung ist subjektiv und sollte teambasiert erfolgen. Externe Expertise für Compliance-Fragen muss verfügbar sein, besonders bei personenbezogenen Daten.
Umsetzung und Integration
Die Matrix funktioniert als ausfüllbares Dokument, das verschiedene Stakeholder strukturiert einbezieht. IT-Leitung prüft technische Machbarkeit, Teamleiter bewerten Business-Impact, Geschäftsführung entscheidet über Ressourcen.
Benötigte Tools: Die Bewertung läuft zunächst dokumentenbasiert. Unternehmen können die Matrix in bestehende Projektmanagement-Tools integrieren oder als separates Assessment-Template verwenden.
Integration in bestehende Prozesse: Die Matrix ergänzt etablierte Stage-Gate-Prozesse um KI-spezifische Bewertungskriterien. Sie ersetzt keine umfassende Projektplanung, sondern filtert vielversprechende Kandidaten für detailliertere Ausarbeitung.
Vorbereitung: Teams sollten Rollen klar definieren und Entscheidungskompetenzen festlegen. Ein Champion mit ausreichend Zeitbudget ist erfolgskritisch, da Nebenbei-Projekte regelmäßig scheitern.

Fazit und nächste Schritte
Die strukturierte KI-Projektbewertung bringt Klarheit in die oft emotionale Diskussion um Automatisierungspotenziale. Vier wesentliche Erkenntnisse stechen hervor:
- Frühzeitige Filterung spart erhebliche Ressourcen und fokussiert auf erfolgversprechende Projekte
- Systematische Compliance-Integration verhindert teure Nachbesserungen in späten Projektphasen
- Objektive ROI-Bewertung schafft realistische Erwartungen bei allen Beteiligten
- Klare Test-Kriterien ermöglichen datenbasierte Go/No-Go-Entscheidungen
Dieses Konzept eignet sich besonders für mittelständische Unternehmen, die erste Schritte in der KI-Automatisierung planen. Teams mit begrenzten Ressourcen profitieren von der strukturierten Priorisierung.
Empfohlene nächste Schritte: Definiere zunächst Rollen und Verantwortlichkeiten in deinem Team. Teste die Matrix an einem konkreten Projektvorschlag. Sammle Erfahrungen mit der Bewertung und passe Gewichtungen an deine Unternehmensrealität an. Nach erfolgreicher Pilotierung kann die Matrix als Standard-Assessment für alle Automatisierungsprojekte etabliert werden.